Die Medien überschlagen sich. Erst monatelang ganz spekulativ, jetzt kommt die Retourkutsche. Weil der Film nichts anderes ist als die Verfilmung des Bestsellers, gibt’s ordentlich Haue für FIFTY SHADES OF GREY. Die Headlines der Reviews lesen sich natürlich ganz im Stil des Streifens, nämlich schwarz-weiß. Entweder wird er als kitschig, harmlos, öde und enttäuschend bezeichnet oder als „Süße Folter“, heiß und romantisch. Komisch, nirgends las ich bisher die Formulierung „ganz großes Kino“. Aber gut, kommt vielleicht noch.
In jedem Fall ist FIFTY SHADES OF GREY eines: ein ganz erstaunliches Marketing-Phänomen. Und das bedeutet: Wir können davon lernen. Allerdings fängt die Lektion auch mit einem alten Grundsatz an: Von nichts kommt nichts. Oder etwa doch?
Genaugenommen begann dieses Phänomen wie im Märchen. Fans bejubelten die Fan-Fiktion, Medien machten sie groß, noch mehr Medien zum Hype. Aber warum, zum Teufel, sucht jetzt jeder nach der Erfolgsformel? Und nicht minder wenige nach dem tiefen Sinn des Ganzen? Der dann darin gipfelt, dass aus einem anfänglichen Mummy-Porn eine „Erlösungsphantasie für Mädchen“ gemacht wird … Echt jetzt?
Für mich ist FIFTY SHADES OF GREY weder das eine noch das andere. Und den Begriff Mummy-Porn mag ich schon mal gar nicht. Wie kann ein Bestseller ein Hausfrauen-Märchen sein? Gibt’s wirklich so viele Frauen – es müssen ja an die 70 Millionen sein, die in althergebrachter Tradition ihren Job aufgeben (oder gar nicht erst einen annehmen), um sich ums Putzen und Kinderkriegen zu kümmern und dem Angetrauten abends ganz unterwürfig das Essen zu servieren? Na, wenn das so ist, macht der Roman ja alles richtig. Dann IST er eine Geschichte für Hausfrauen. Und dann haben wir den Hausfrauen dieser Welt dieses Massenphänomen zu verdanken. Und dank dieser Hausfrauen muss dann auch wirklich jede Zeitung am Tag 1 nach der Weltpremiere mindestens mit einem Beitrag über BDSM aufmachen. Naja …
Ich glaube, FIFTY SHADES OF GREY hat einen tieferen Sinn. Und der lässt sich viel banaler formulieren, als es uns die Medien mit ihrer Sichtweise darauf weismachen wollen. Wir, Männer und Frauen, müssen wieder mehr miteinander reden. Insbesondere und vor allem über Sex. Von erwachsenen Menschen sollte man annehmen können, dass sie das tun. Aber fassen wir uns an die eigene Nase – wie viel bleibt ungesagt?
Und der Film soll etwas daran ändern? Vielleicht. Zunächst wird er natürlich als das wahrgenommen, was er ist. Als lange herbeigesehnte Verfilmung eines Romans in aufregenden Bildern, mit schönen Darstellern und romantischer Musik. Es wird dauern, ehe die wirklich ernsthaft gemeinten Beiträge darüber in die Medien kommen. Aber sie werden kommen müssen. Zur Funktionsweise von Bestsellern gehört nämlich die Tatsache, dass sie sich um die Lösung eines global existierenden Problems bemühen. Eines Problems, das bislang keine Lösung erfahren hat. Und ich verrate sicher kein Geheimnis, wenn ich behaupte, dass es um das Miteinander von Mann und Frau geht.
Die Gleichstellungsdebatte, so meine Vermutung, tut uns nicht ausschließlich gut. Sie versucht etwas, was vielleicht nicht unbedingt gegen die Natur des Menschen spricht. Aber sie tut es nicht immer im Sinne dieser unserer Natur. Frauen sind anders als Männer. Abhängig davon, wo auf dieser Welt sie leben, und abhängig vom Laufe der Geschichte haben sie einen anderen gesellschaftlichen Status bzw. erfährt dieser einen Wandel. Das impliziert allerdings auch, dass sich der gesellschaftliche Status der Männer verändert. Beide, Mann und Frau, nähern sich einander an, indem sie Aufgaben aus dem Bereich des jeweils anderen übernehmen. Es ist gut, dass Frauen nicht mehr vom Wohlwollen ihres Mannes abhängig sind. Aber könnte es sein, dass die Gleichberechtigung manchmal als Last empfunden wird, die sie gar nicht tragen können? Oder wollen? Da kommt uns ein modernes Märchen wie das von Ana und ihrem Traumprinzen Christian gerade recht. Wir beamen uns mit FIFTY SHADES OF GREY quasi in eine Zeit (oder sollte ich angemessener sagen: einen fiktiven Raum), „da die Menschen noch an Wunder glaubten“.
Genau. Märchen hat man sich zu jeder Zeit erzählt. Ihre Funktion besteht darin abzulenken. Wovon wollen wir uns ablenken lassen? Etwa von unserer wachsenden Unfähigkeit zu sagen, was genau Liebe ist? Wie wir geliebt werden wollen, um uns rundum wohlzufühlen? Glücklich zu sein?
Ups, jetzt habe ich noch gar nicht über BDSM gesprochen. Dabei wird uns der Film ja als SM-Romanze verkauft. Hab ich doch glatt über’s Sinnieren vergessen. Aber für mich geht’s eben um mehr als ein bisschen Haue ;-)