Schneemänner-Talk, das 10. Gespräch

»Morgenbriefing«, sagt Jacob, als Paul am Freitagfrüh schon nach dem ersten Klingeln das Telefonat entgegennimmt.
»Hast du Langeweile?«
Er hört den Freund geräuschvoll seinen Kaffee schlürfen. »Nee, Neuigkeiten von Louischen.«
»Neuigkeiten? Haben wir unserer Frau gestern nicht zur selben Zeit unsere Aufwartung gemacht?«, erinnert er ihn an das gemeinsame Essen in Louisas Wohnung.
Auf Jacobs Gesicht schleicht sich ein Grinsen. Wie geschwollen Paul manchmal redet …
»Haben wir. Aber es gab noch ein weiteres Gespräch.«
Schweigen am anderen Ende. »Ah ja«, sagt Paul dann.
»Sie konnte nicht schlafen«, fährt Jacob fort. »Hat zu viel gegrübelt.«
»Und dann rief sie dich an? Oder du sie?«
»Sie mich.«
Paul brummelt irgendwas Unverständliches vor sich hin.
»Sie macht sich Gedanken darüber, dass sie zwei Männern nicht genügen könnte.«
»Nicht genügen? Wie kommt sie darauf?«
»Keine Ahnung. Ist nicht so einfach für sie, unsere Bedürfnisse zu begreifen.« Jacob macht eine kurze Pause und fügt dann hinzu: »Sie hat mich gefragt, ob ich auch SMler bin.«
»Und?«
»Ich hab ihr erklärt, worin wir beide uns unterscheiden.«
»Hmhm.«
»Sie fragt sich, wie es jetzt weitergeht«, sagt Jacob. »Nur Sex könne es doch nicht sein.« Er lacht leise. »Sie wünscht sich Normalität.«
»Normalität, aha.«
»Wie in jeder anderen Beziehung.«
»Hmhm.«
»Du kriegst heute aber auch echt nicht die Zähne auseinander, Alter.« Jacob unterbricht erneut. »Jetzt ist Kino angesagt«, fährt er dann fort. »Hab ich heute Nacht spontan entschieden.«
»Das ist für dich normal?«
»Findet Louisa jedenfalls. Kino, Freunde treffen … Ich dachte, Kino ist für den Anfang okay. Samstagabend?«
»Ihr habt euch also schon festgelegt?«
»Das war meine Idee. Samstag könnte am ehesten passen, nahm ich an.« Wieder lacht er. »Musst dich jetzt wohl dran gewöhnen, dass du mich öfter auf dem Hals hast, als dir lieb ist.«
»Wer hätte das gedacht«, gibt Paul brummend zurück.
Jacob räuspert sich. »Am Ende hatten wir Telefonsex.«
»Auch das noch.«
»Ein Problem für dich?«
»Sollte es?«
»Natürlich nicht. Ich konnte dich schlecht vorher fragen, ob du einverstanden bist.«
»Ist sie gekommen?«, will Paul wissen.
»Natürlich.«
»War ja klar. Der Frauenversteher at its best. Aber gut zu wissen.« Offensichtlich hantiert er gerade am Geschirrspüler. Es klappert. »Kann ich beim Dirty Talk noch ne Schippe drauf legen.«
»Mann!«
»Ja, was? Wenn sie nur durch Quatschen kommt, ist doch vielversprechend. Meinst du nicht?«
Jacob denkt darüber nach, ob es eine gute Idee war, Paul von Louisas nächtlichem Anruf zu berichten. Aber sie haben vereinbart, dass sie sich über wesentliche Details austauschen. Das ist eines für ihn.
»Willst du sie eigentlich immer noch?«, fragt er zögernd.
Für ihn ist die Sache nach wie vor klar. Aber Paul … Irgendwie ist der heute komisch.
»Du zweifelst nicht wirklich, oder?«
»Keine Ahnung. Vielleicht hast du deine Meinung nach gestern Abend geändert.«
»Hab ich nicht, Blödmann.«
»Dann hast du also doch ein Problem damit, dass wir später noch …«
»Herrgott!« Paul seufzt schwer. »Eigentlich nicht. Aber uneigentlich grüble ich darüber, warum du und nicht ich.«
Jacob schweigt betroffen. »Da ist was zwischen euch«, stellt er schließlich fest. »Ich glaub, ihr braucht dringend mal Zeit ohne mich.«
»Quatsch. Wir sind nun mal zu dritt.«
»Was nicht automatisch bedeutet, dass die Gefühlslage auf allen Seiten dieselbe ist.«
»Lass uns Samstag ins Kino gehen und gut ist.«
»Aber du verheimlichst mir nichts, oder?«
Paul brummt genervt in den Hörer. »Ich muss in die Praxis. Der Tag wird lang.« Dann murmelt er einen Abschiedsgruß und beendet das Gespräch.
Jacob lässt das Handy sinken. Na wunderbar. Sie sind noch nicht mal richtig in Fahrt gekommen und schon bahnen sich Probleme an …